Linienführung und Fluchten

Linien und Fluchten sind tolle Gestaltungsmittel in der Fotografie. Was sonst verleiht unserem Blick eine Richtung? Was gibt dem Bild Tiefe und Perspektive? Richtig: das geht nur mit Fluchten und Linien im Bild.

Um zu verdeutlichen, wie gut es einem Bild tut, auf die Linien und Fluchten ein besonderes Gewicht zu legen, habe ich zwei Bilder ausgewählt, die unmittelbar nacheinander an gleicher Stelle entstanden sind.

Der Unterschied zwischen einem „ordentlichen“ Bild und einem sehr guten Bildaufbau werden hier sehr schön deutlich.

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Der Unterschied ist hierbei weder im Modell, noch im Make-Up oder Licht zu suchen, das passt bei beiden gleichermaßen gut. Beide Bilder zeigen eine hübsche Frau in coolem Outfit, perfektem Make-Up und gestylten Haaren. An der Stelle gibt es nichts auszusetzen.

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Dennoch bleibt der Blick beim ersten Bild hängen, der Betrachter verweilt länger im heischt des Modells, das Bild strahlt mehr Ruhe und Kraft aus, während das zweite Motiv Unruhe stiftet, keinen richtigen Fixpunkt zu bieten scheint. Das Modell schaut dabei extrem souverän und gelassen, an ihr liegt es nicht, auch wenn sie keine Sonnenbrille trägt. Eigentlich sollte uns doch genau dann ihr Blick gefangen nehmen.

Woran liegt es nun, dass zwei scheinbar gleich Bilder so unterschiedlich wirken? Etwas scheint zu stören.

Und genau so ist es. Was beim ersten Bild hervorragend funktioniert, hat beim zweiten leider nicht geklappt: die perfekte Inszenierung vom Modell in den Hintergrund. Ein Fehler, der ganz klar auf die Kappe des Fotografen geht, denn er muss Modell UND Hintergrund im Blick haben, er inszeniert die Positionen und muss im Blick haben, wo das Modell steht und wie er sich positioniert, damit das Ergebnis optimal wird.

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Am Ende entsteht dann ein Bild, das zwar korrekt belichtet ist, wo das Modell gut aussieht und auch sonst ganz viel stimmt und dennoch ist es durch diesen Makel kein Top-Bild und würde beim sortieren durchs Raster fallen.  Die Stellen, die unseren Blick stören und Unruhe ins Bild bringen, sind hier mit den gezackten Linien eingezeichnet.

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Ganz anders beim ersten Modell: hier stimmen Fluchten und Linien im Bild. Der Blick des Betrachters wandert automatisch zum Gesicht und bleibt auch dort, denn alle Linien weisen mir den Weg. Perfekt. So strahlt das Bild Stärke und Souveränität aus, die nicht nur allein vom Modell kommt, sondern vom Bildaufbau unterstützt wird.

Leichter gesagt als getan, denn in der Hektik und der Zusammenarbeit mit Menschen ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Denn es muss auf so vieles geachtet werden: stimmen die Einstellungen an der Kamera, steht das Licht richtig? Was macht das Modell, sitzen Haare und Outfit, stimmt das Posing, was ist im Hintergrund los und, und, und…

Deshalb gehen wir in unseren Workshops immer Schritt für Schritt vor: Position vom Modell, Hintergrundlicht, Vordergrundlicht, Einstellungen an der Kamera, Kameraposition, Test mit Modell… und wenn das alles erledigt ist: Shooten!

Klingt aufwendig, ist es beim erstem Mal auch. Aber mit ein wenig Übung und Routine bekommt Ihr einen souveränen Arbeitsablauf und könnt Euer Motiv gezielt aufbauen. Und das spart am Ende ungeheuer viel Zeit, da das Arbeiten wesentlich effektiver wird, die Ergebnisse besser und die Stimmung lockerer.

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Viel Spaß beim Ausprobieren!

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